Fachprofil
Die Indologie ist während der Zeit der Romantik aus der wissenschaftlichen Beschäftigung mit den indischen Sprachen, allen voran Sanskrit, erwachsen. Ihre Erschließung bildet auch heute noch ein wichtiges indologisches Arbeitsgebiet. Denn um mit indischen Quellen arbeiten zu können, ist die Kenntnis der Sprachen unabdingbar, derer sich die verschiedenen Traditionen jeweils bedienen. Zu den Lehr- und Forschungsgebieten der Indologie gehören auch die Literaturen und Religionen Indiens, die unter Anwendung literatur- und religionswissenschaftlicher, aber auch ethnologischer Methoden analysiert werden. Schon die frühen Indologen, wie etwa Franz Kielhorn, haben Südasien besucht und dort Daten, Manuskripte und weitere Materialien gesammelt. Auch heute umfassen viele indologische Projekte Studien- und Forschungsreisen zu historischen und gegenwärtigen Stätten südasiatischer Kultur(en). Feldforschungen werden im Subkontinent selbst sowie auch bei Migrant(inn)engemeinden in anderen Erdteilen durchgeführt.
Entstanden als eine klassische Philologie hat die Indologie ihr Repertoire kontinuierlich erweitert. Heute gilt sie in erster Linie als Kulturwissenschaft, die sowohl Sprachen, Literaturen und Religionen als auch Kunst und Geschichte Indiens behandelt, und dies von den ersten Anfängen bis in die aktuelle Gegenwart. Diese historisch breite Perspektive – eine der wichtigsten Besonderheiten der heutigen Fachdisziplin Indologie – ermöglicht es, vor fundiertem philologischen Hintergrund Kontinuitäten, Brüche und Traditionalität der indischen Kulturen in den Blick zu nehmen.
Schwerpunkte der Göttinger Indologie
Der Schwerpunkt der Göttinger Indologie besteht in erster Linie in der Erforschung der religiösen Traditionen des indischen Subkontinents und ihrer Literaturen. Auf Grundlage der Arbeit an und mit Originaltexten werden vor allem Hinduismus, Jainismus und Buddhismus in ihrer gegenwärtigen Praxis und geschichtlichen Entwicklung erforscht. Das Spektrum der literarischen Texte, die die Mitarbeiter(innen) des Seminars für Indologie und Tibetologie untersuchen, reicht von vedischen Hymnen auf Sanskrit, die zum Teil bis heute im rituellen Kontext rezitiert werden, bis hin zu Hindi-Romanen, die Probleme des globalisierten Indiens aufgreifen.
Der Lehrstuhlinhaber, Prof. Dr. Thomas Oberlies, arbeitet insbesondere zu den hinduistischen Traditionen, dem indischen Epos Mahābhārata, der Erzählliteratur des Buddhismus und Jainismus sowie der indischen Kunst. Das Forschungsgebiet von Dr. Ines Fornell sind die modernen Literaturen Indiens. Derzeit gilt ihr besonderes Interesse der literarischen Auseinandersetzung mit religiösen und sozialen Konflikten Südasiens. Sandra Ascher promoviert über den Āyurveda und seine Anwendbarkeit auf moderne Krankheitsbilder der westlichen Medizin. Dabei gehört eine Beschäftigung mit der medizinischen Sanskritliteratur genauso zu ihren Interessen wie die Auseinandersetzung mit moderner āyurvedischer Therapie in Indien und Europa. Dieses Forschungsgebiet spiegelt sich auch in der Lehre des Göttinger Seminars wieder, in dem seit dem Sommersemester 2016 regelmäßig Veranstaltungen zum Āyurveda stattfinden.
Derzeit laufende oder kürzlich abgeschlossene Forschungsprojekte des Seminars für Indologie und Tibetologie rücken unter anderem die Geschichte des Hinduismus, seine häuslichen Rituale, jainistische Erzähllitertur, Verbalbildungen der Pāli-Sprache inklusive ihrer Denominativa sowie das moderne Hindi in den Fokus. Am Seminar für Indologie und Tibetologie werden ferner die interaktive Datenbank Epic and Puranic Bibliography betreut sowie die Zeitschrift für Indologie und Südasienstudien herausgegeben.