Seminar für Indologie und Tibetologie
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Hindī

Hindī, das zum indo-iranischen Zweig der indoeuropäischen Sprachfamilie gehört, ist nach Mandarin-Chinesisch, Spanisch und Englisch die meistgesprochene Sprache in der Welt. Es wird von ca. 460 Millionen Menschen als Muttersprache gesprochen, 200 Millionen Menschen verwenden es als zweite Sprache. Hindi ist neben Englisch die überregionale Amtssprache der Indischen Union und die offizielle Sprache vieler nord- und zentralindischer Bundesstaaten, wie Uttar Pradesh, Haryana, Rajasthan, Madhya Pradesh u.a. Darüber hinaus wird Hindi in der indischen Diaspora gesprochen (z.B. in den USA, in Großbritannien, in Kanada, den Vereinigten Arabischen Emiraten, auf Mauritius etc.).

Zur Geschichte des Hindī
Als neu-indoarische Sprache geht das Hindī in letzter Instanz auf das Vedische Sanskrit und dessen Fortsetzer - Sanskrit und Mittelindisch - zurück, wie Gleichungen wie ghī `geklärte Butter´ < Mittelind. ghia < Skt. ghṛta, bādal `Wolke´ < Mittelind. vaddala < Skt. vārdala oder aj `heute´ < Mittelind. ajja < Skt. adya zeigen. Näher steht dem Hindī, wie allen neu-indoarischen Sprachen, das Apabhraṃśa, eine - seiner Verwendung nach - reine Dichtersprache, die sich als eine Verschmelzung des Mittelindischen mit der längst weiter fortgeschrittenen Volkssprache darstellt: Der größtenteils `mittelindische´ Wortschatz wird dort `volkssprachlich´ flektiert. Aus einer westlichen Variante des Apabhraṃśa gingen dann die unmittelbaren Vorläufer des Hindī hervor, Hindavī (auch Zaban-e-Dihlavi genannt) und Dehātī Khaṛi Bolī, beide ursprünglich in der Gegend von Delhi heimische Idiome. Diese hatten sich mit der Eroberung Delhis durch Qutb-uddin Aibak und der Etablierung des Delhi-Sultanats im Jahre 1206 als linguae francae der - sprachlich und ethnisch - sehr heterogenen Bevölkerungsgruppen herausgebildet und waren in der Folge zu besonderer Bedeutung aufgestiegen. Mit Händlern, wandernden Heiligen und Soldaten und nicht zuletzt als Folge der (vorübergehenden) Verlegung der Hauptstadt des Sultanats von Delhi nach dem in der Nähe von Aurangabad gelegenen Daulatabad im Jahre 1327 breiteten sich die Delhi-Idiome - vor allem - nach dem Süden und Westen Indiens aus. Dies wiederum bedingte, daß Hindavi und Dehātī Khaṛi Bolī zu überregionalen Sprachen wurden. Jahrhunderte später entwickelte sich in Delhi aus der Mischung von Hindavī und Dehātī Khaṛi Bolī sowie des westlichen Braj Bhāṣā (dessen Bedeutung noch dadurch verstärkt wurde, dass sich der Regierungssitz des Delhi-Sultanats bzw. des Mogul-Reichs von 1506 bis 1648 in Agra befand) eine neue Koine heraus, das Zaban-e-Urdu-e-mu`alla (`die Sprache des erhabenen Heerlagers´). Aus diesem wiederum entstand schließlich einerseits das Urdū, andererseits das moderne Standard-Hindī oder Khari Boli Hindī, kurz Hindī. Diese beiden Fortsetzer des Zaban-e-Urdu-e-mu`alla unterscheiden sich vor allem durch den Anteil sog. Tatsama- und Tadbhava-Wörter auf der einen Seite und von Lehnwörtern aus dem Persischen und Arabischen auf der anderen. Weist das Hindī sehr viele Wörter auf, die Sanskrit-Wörter entweder direkt oder indirekt (d.h. in einer mittelindischen Form) fortsetzen, bilden persische und arabische Wörter einen ganz beträchtlichen Teil des Lexikons des Urdū. Während im Hindī Sanskrit-Wörter gebräuchlich sind, verwendet man im Urdū die entsprechenden Äquivalente persisch-arabischer Herkunft. Und auch die Schrift, derer sich diese beiden Sprachen bedien(t)en, ist charakteristisch unterschiedlich: Das Urdū verwendet die arabische, das Hindī die einheimisch-indische Devanāgarī-Schrift. Anders als das Urdū, das alsbald auch als Literatursprache Fuß fassen konnte, blieb Hindī bis ins frühe 19. Jahrhundert eine fast ausschließliche gesprochene Sprache, da es weder dem Persischen als Verwaltungs- noch dem Braj Bhāṣā als Dichtersprache Konkurrenz leisten konnte. Erst mit dem Bemühen der britischen Kolonialverwaltung, für leitende Angestellte und Bedienstete Lernmaterial zur Verfügung zu stellen, wurde das Hindī in größerem Umfange auch zu einer geschriebenen Sprache. In diesem Zusammenhang spielte das im Jahre 1800 in Kalkutta eingerichtete Fort William College eine wichtige Rolle. Insbesondere der dort tätige Lallu Lal leistete mit seinem Prem-sāgar `Ozean der Liebe´ (1803-10) einen bedeutenden Beitrag zur Entwicklung eines Prosastils in Khaṛi Bolī Hindī. Ab Ende des 19. Jahrhunderts avancierten Benares und Allahabad zu Zentren der Hindī-Bewegung. Dies manifestierte sich insbesondere in der Gründung der beiden Organisationen Nagaripracarini Sabha (1893 in Benares) und Hindi Sahitya Sammelan (1910 in Allahabad). Zu den bedeutendsten Schriftstellern, Literaturkritikern und Journalisten, die zur weiteren Entwicklung eines literarischen Hindī beitrugen, zählen u.a. Bhāratendu Hariścandra (1850-85), Mahāvīra Prasāda Dvivedī (1864-1938) und Premcand (1880-1936). Heute zählt das Hindī zu den wichtigsten Sprachen der Welt und hat eine ganze Reihe hervorragender Schriftsteller und Dichter aufzuweisen. Neben Premcand wären hier u.a. Jayśankar Prasād (1889-1937), Sūryakāntha Tripāṭhī `Nirālā´ (1896-1961), S.H. Vātsyāyan `Agyeya´ (1911-1987), Phaṇīśvaranātha `Reṇu´ (1921-1977), Mohan Rākeś (1925-1972), Nirmal Varma (1929-2005) und Bhīṣma Sāhanī (1915-2003) zu nennen.

 

Detaillierte Informationen zur Zaban-e-Urdu-e-mu'alla, aus der sich sowohl Urdū als auch Khaṛi Bolī Hindī entwickelten, finden sich im folgenden Aufsatz:

Helmut Nespital. The Development of Literary Urdu in Delhi in the 17th and 18th Centuries with Regard to Changes of its Language Structure. 310-325. In: Tender Ironies. A Tribute to Lothar Lutze. Edited by Dilip Chitre et al. 2nd, revised Internet Edition. First Published 1994 by Manohar Publishers & Distributors, New Delhi. Tübingen and Würzburg 2003.